30 Jahre Körpernah

Eine Geschichte der Leidenschaft

Drei Wäschefachgeschäfte waren es, die unter dem Label „Körpernah“ die Berliner Shoppingwelt 30 Jahre lang bereicherten. Dass die Geschichte mit einem Marktstand für Strümpfe begonnen hat, wissen nur die wenigsten. Werfen Sie einen Blick hinter die Kulissen und erfahren Sie von Gründerin Caroline Kratzsch, wie alles begann.

Caroline Kratzsch mit Models 60 Jahre Aubade.

Der Marktstand vor dem KaDeWe

Durch Insolvenz der Firma verliert Caroline Kratzsch vor 30 Jahren ihre sicher geglaubte Schneiderlehre. Eigentlich wollte sie nach dem Abitur Modedesignerin werden. Um das Jahr bis zum nächsten Ausbildungszyklus zu überbrücken, fängt sie mit einem eigenen Marktstand am Winterfeldplatz für Strümpfe an. Das Know-How und Startkapital bekommt sie von ihrer Großmutter, die sie schon in ihrer Jugend beim Verkauf von Strümpfen auf dem Markt unterstützt hat. „Das hat mir immer Spaß gemacht. Meine Oma hat mir also einen Marktstand, eine alte Strumpfkettelmaschine und Waren im Wert von 200 DM übergeben. Das war mein Startkapital.“


Aus Ausschussware von Falke zaubert Caroline Kratzsch nun also trendige Leggins und modische Strumpfhosen.

„Wir haben die Ware repariert und günstig angeboten. Irgendwann habe ich begonnen, einen roten Bund an die schwarze Strumpfhose zu nähen – und habe damit genau den modischen Geschmack getroffen“, erinnert sich Caroline Kratzsch. Und nicht nur vor dem KaDeWe laufen die Geschäfte gut: Bald hat die 18-Jährige gleich mehrere Marktstände in der ganzen Stadt, beschäftigt Verkäuferinnen und Heimarbeiterinnen.

Caroline Kratzsch mit Freunden bei Renovierungsarbeiten in der Körpernah-Filiale Schöneberg.

Ein kunterbuntes Treiben

Caroline Kratzsch legt einfach los. „Ich hatte keine Ahnung und kein Konzept, aber viele Ideen und Leidenschaft.“ Aus Backsteinen und Glasplatten setzt sie Möbel zusammen, die dem Industrial-Style der Zeit entsprechen. Andere Dessous-Fachgeschäfte bewahren ihr Sortiment fein säuberlich verpackt in Schubladen auf. Doch bei Körpernah hängen die Dessous frei und sichtbar im Laden. Das lockt Damen, Herren, Transsexuelle und Homosexuelle in den Laden – und die Berliner Prominenz. „Es war ein kunterbuntes Treiben, jeder wusste, dass wir unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Haltung beraten. Als Campino in den Laden marschierte, war das wie ein Ritterschlag.“

 


Körpernah-Team in Schöneberg stößt gemeinsam auf die 30 Jahre Körpernah an.

Körpernah wächst

Zehn Jahre vergehen, Körpernah ist mittlerweile eine feste Institution im Berliner Shoppingleben, doch das reicht nicht aus. „Ich hatte schon lange mit dem Gedanken gespielt, mich zu vergrößern und aus 21qm werden 75 qm nebenan. Zwar eine reine Bruchbude und einen horrenden Abstand, doch ich war mir sicher. Dann habe ich einen wunderbaren Laden in Zehlendorf gefunden, dieser Bezirk brauchte dringend ein Fachgeschäft. Damals war ich vollkommen davon überzeugt, dass ich noch lange nicht am Ende der Fahnenstange angekommen bin.“ Die junge Unternehmerin meistert das Privatleben als alleinerziehende Mutter zweier Kinder und ihre beiden Läden. „Es war nicht einfach und ich habe großen Respekt vor allen Müttern, die mit beiden Beinen fest im Berufsleben stehen.“

Körpernah-Team in Schöneberg feiert 10 Jahre Jubiläum.

Ein Einbruch ändert alles

Und dann passiert, was jede Geschäftsfrau fürchtet: In den Laden in Schöneberg wird eingebrochen. „Die Diebe waren wirklich gründlich – und ich stand plötzlich komplett ohne Ware da. Durch einen dummen Anwaltsfehler zahlte dann die Versicherung nicht – der Supergau“, erinnert sich Caroline Kratzsch. „Ich hätte fast aufgegeben. Doch es gab so viele Menschen, die an mich geglaubt haben. Meine Familie vor allem: Meine Eltern haben mich finanziell unterstützt – und viele Hersteller haben sich wunderbar verhalten und kamen mir bei den Bestellungen sehr entgegen. Dafür bin ich bis heute dankbar! Der Laden lief auf einmal wie von selbst. Es war unglaublich.“




Aller guten Dinge sind drei: Körpernah kommt nach Charlottenburg

Bald ist Caroline Kratzsch wieder so gut aufgestellt, dass sie mit Unterstützung von Marie Jo und Prima Donna einen weiteren Laden nahe dem Kurfürstendamm eröffnen kann. „Eigentlich hatte ich nicht vor, mich noch weiter zu vergrößern. Aber ich habe zufällig ein Ladengeschäft in der Uhlandstraße gesehen – und auf einmal ging alles schnell: Am Tag der Besichtigung bin ich noch mit dem Makler zum Vermieter gefahren – und schon hatte ich einen dritten Laden.“ Und dieser Laden verlangt Caroline Kratzsch einiges ab: „Es hat fast drei Jahre gedauert, bis der Laden lief. Es war schwierig, Fuß zu fassen und gutes Personal zu finden.“ Doch mit viel persönlichem Engagement und findigen Ideen überbrückt Caroline Kratzsch auch diese Zeit. „Das war mein Flagshipstore mit 360m² auf 2 Etagen. Mein Traum wurde wahr. Jede Inhaberin eines Dessousgeschäfts weiß, Platz gibt es nie genug. Jetzt konnte ich meine Ansprüche an eine hervorragende Präsentation eines großen ausgesuchten Sortiments exklusiver Ware verwirklichen.“

Heute ist KÖRPERNAH eine feste Institution Berlins, sie versorgt nicht nur unzählige Stammkund:innen aus der ganzen Welt mit Traumdessous, sondern ist auch Anziehungspunkt für Touristen.

Caroline Kratzsch gewinnt den Sous Award 2018 und wird von TV-Moderator Roman Roell interviewt.

Fehler sind dazu da, um aus ihnen zu lernen

Wenn Caroline Kratzsch heute, nach 30 Jahren in der Dessous-Branche, zurückschaut, tut sie das ohne Bedauern. „Ich liebe meinen Job noch heute. Ich bin an meinen Aufgaben gewachsen, aus meinen Fehlern habe ich gelernt. Ich habe mit Sicherheit Lehrgeld bezahlt, aber das gehört dazu – und das macht mich und meine Läden aus. Mir war immer wichtig, dass ich die Freiheit habe, meine Ideen umzusetzen, mich zu verwirklichen. Ich lebe meine Geschäfte und arbeite aus Überzeugung und Leidenschaft.


Die wilden 90er und der Kiez

In 30 Jahren Geschäftsleben ist viel passiert – und allzu oft hat Caroline Kratzsch, die heute als Wäsche-Expertin gilt, Trends gesetzt. „Es hat mir einfach immer Spaß gemacht, neue Sachen auszuprobieren. Lebende Models im Schaufenster – heute kennt man das. Aber in den wilden 90er Jahren war das ganz neu. Wir haben Leute von der Straße gecastet für unsere Modenschauen. Das ist angekommen, wir hatten immer volles Haus. „Damals bin ich sogar selbst noch mitgelaufen“, verrät Caroline Kratzsch. Und sie ist mit ihrem Laden immer mittendrin, am Puls der Zeit. „Noch heute ist der Laden in Schöneberg nicht nur ein Fachgeschäft, sondern auch eine Bühne des Kiezes. Es ist durchaus üblich, dass sich die Kund:innen in ihren neuen Dessous in spe im Laden präsentieren und bewundern lassen. Und dann direkt auf die Straße zur Loveparade oder dem Christopher-Street-Day gehen, früher auch in die Disco an der Ecke, wo Dr. Motte und WestBam aufgelegt haben. Ich liebe diese Szene.“

Caroline Kratzsch in den 90 er Jahren vor ihrer Filiale mit ehemaliger Kollegin.

Immer Spannendes zu entdecken bei Körpernah

Bis heute bleibt sich die findige Geschäftsfrau treu. „Ich biete statt des üblichen Sortiments von 30 Prozent Mode und 70 Prozent Basics genau das Gegenteil an. Mittlerweile weiß ich, dass es genau das ist, was mich von anderen abhebt: Bei Körpernah gibt es immer etwas Neues zu entdecken.“ Dass sie damit manchmal ihrer Zeit voraus ist, nimmt Caroline Kratzsch mit Humor: „Meinen ersten Online-Shop musste ich nach drei Jahren wieder vom Netz nehmen, weil er unrentabel war. Wer hätte das heute gedacht?“

Inspiriert wurde Caroline Kratzsch unter anderem von Marlies Dekkers, einer ihrer Lieblingsdesigner:innen. „Ihre erste Kollektion hat mich sehr beeindruckt. Sie war für mich die Madonna der Wäsche, eher eine Künstlerin als eine Geschäftsfrau. Sie war mutig, hat etwas ganz Neues gewagt.“ Auch heute ist sie immer auf der Suche nach neuen kleinen Designern.

Aber auch den etablierten Marken bin ich sehr verbunden und bleibe ihnen treu. Eines meiner schönsten Erlebnisse war ein Besuch bei Cadolle in Paris. Hier schien die Zeit stehen geblieben zu sein, an den Wänden hingen überall die Autogramme der Stars wie Sharon Stone, Madonna und Rihanna. –ich habe Ehrfurcht vor einer der letzten Meister:innen der Korsetterie nach Maß.“

Caroline Kratzsch schnürt ein Korsett von Cadolle.

Das Jubiläumsjahr wird verschoben

Eigentlich hätte 2020 ein Jahr der rauschenden Feste und Aktionen bei Körpernah werden sollen, wenn da nicht Covid-19 gewesen wäre. „Wir wollten ein ganzes Jahr lang zeigen, was wir können und bieten: Von der ersten BH-Beratung für junge Mädchen bis zu Reparaturen, von unseren zarten Spitzen-Dessous bis zum Sport-BH. Wir sind traurig, dass wir wegen Corona leider alles absagen mussten. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben:

Körpernah feiert am 23.06.2022 30-jähriges Jubiläum mit einem Open Air auf dem Hof vom Flagshipstore in der Uhlandstraße.

Caroline Kratzsch mit Schriftzug "Jeder Körper ist einzigartig, Jede Frau schön!"

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